11. Oktober 2019 in Weltkirche
Die Internetseite einer brasilianischen Missionsorganisation für indigene Völker veröffentlicht Artikel, in welchen die Kindstötung relativiert wird. Die strafrechtliche Bekämpfung des Infantizids wird als Kolonialismus bezeichnet.
Rom (kath.net/jg)
Der Schweizer Journalist Giuseppe Rusconi hat aufgedeckt, dass der Conselho Indigenista Missionário (CIMI), eine Missionsorganisation in Verbindung mit der brasilianischen Bischofskonferenz, Verständnis für Praktiken der Kindstötung unter indigenen Stämmen geäußert hat. Vorsitzender von CIMI ist Roque Paloschi, der Erzbischof von Porto Velho, Rondonia (Brasilien).
Rusconi hat festgestellt, dass die Internetseite von CIMI eine kritische Stellungnahme der brasilianischen Anthropologin Rita Laura Segato von der Universität Brasilia zu einem Gesetzesentwurf zum Verbot des Infantizids veröffentlicht hat.
Wörtlich schreibt sie in einem Beitrag mit dem Titel Möge jedes Volk die Fäden seiner Geschichte spinnen: Welcher Staat soll heute regeln, wie indigene Völker ihre Kinder schützen sollen? Welche Autorität hat dieser Staat? Welche Legitimität und welches Vorrecht? Welche Glaubwürdigkeit hat dieser Staat, wenn er durch ein neues Gesetz versucht, die Völker zu kriminalisieren, die hier die Fäden ihrer Geschichte gesponnen haben, als sie von der Gewalt und Gier der Christen unterbrochen wurden?
In einem anderen Artikel auf der Internetseite von CIMI wird Segato mit der Aussage zitiert, der Gesetzesentwurf verleumde die indigenen Völker: Er schafft ein absolut verzerrtes Bild der Beziehung zwischen den Indigenen und ihren Kindern. Das Gesetz überschattet die Realität und erklärt sie zu barbarischen, wilden, mörderischen Indianern.
In diesem zweiten Artikel geht es um eine Masterarbeit, die Segato betreut hat. Die Verfasserin der Arbeit relativiert zunächst die Kindstötungen als Reproduktionsstrategien, die zum Wohle der Gemeinschaft entwickelt wurden, nicht für Einzelpersonen und nur eine sehr kleine Anzahl von Kindern wird ausgesetzt. Es handle sich um Kinder mit Problemen, die später jede Art von Sozialisation unmöglich machen. Der zentrale Punkt ihrer Studie sei folgender: Was wir Weißen unter Leben und Menschen verstehen, unterscheidet sich von der Wahrnehmung der Indigenen. Wenn ein indigenes Baby geboren wird, wird es nicht als Person betrachtet es erwirbt eine Persönlichkeit im Lauf des Lebens und die sozialen Beziehungen, die es eingeht.
Sie schreibt, dass das Schicksal von Kindern, die mit ernsten Problemen geboren wurden, die jede Art von Sozialisation verhindern, von der Indigenen selbst gelöst werden müsse. Wenn diese Autonomie nicht respektiert werde, kolonisieren wir immer noch, heißt es in der Arbeit weiter.
Rusconi hat den Infantizid bei indigenen Stämmen im Rahmen der Pressekonferenz der Amazonien-Synode am 8. Oktober angesprochen. Kardinal Pedro Barreto SJ, Erzbischof von Huancayo (Peru) und Vizepräsident des kirchlichen Pan-Amazonien Netzwerks REPAM, hat darauf eine defensive Antwort gegeben und gesagt, er habe noch nie gehört, dass Stämme im Amazonas Kindstötungen durchführen würden. Jedes Leben sei heilig, wer die Praktiken rechtfertigen wolle, verleugne das Evangelium.
In einem Artikel auf seinem Blog Rossoporpora hat Rusconi seine Recherchen zu dem Thema zusammengefasst. Er verweist auf die Internetseite von CIMI mit den zitierten Artikeln.
Infantizid unter indigenen Stämmen im Amazonas sei gut dokumentiert, fährt der Journalist fort. In einem Interview der italienischen Zeitung La Repubblica mit dem Anthropologen Giuseppe Bonazzi vom November 2016 sagt der Wissenschafter, die schwächsten Babys oder Babys, um die sich die Mutter nicht kümmern könne, weil sie mit früher geborenen Kindern beschäftigt sei, würden nicht akzeptiert und sterben.
Er führt auch brasilianische Quellen an, darunter die juristische Internetseite www.jus.com.br und die Tageszeitung O Globo.
Erwin Kräutler, emeritierter Bischof von Xingu (Brasilien) hat sich ebenfalls gegen die strafrechtliche Verfolgung des Infantizids unter den indigenen Völkern des Amazonas ausgesprochen. kath.net hat hier berichtet: Amazonien-Synode: Kräutler für Weihe verheirateter Männer und Frauen.
Auch Jonas Marcolino Macuxí, Häuptling des Macuxí-Stammes, Jurist und Mathematiker, kritisiert, dass die barbarische Praxis des Tötens von Neugeborenen mit Behinderungen in einigen Stämmen weiter ausgeübt werde, nicht zuletzt auch deshalb, weil sogar die Bischöfe in der Gegend zu den Menschen sagen, dass sie zu ihren alten Wegen zurückkehren müssen, weil sie viel besser wären als die Sitten und Gebräuche der modernen weißen Gesellschaft,
kath.net hat berichtet.
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