19. November 2020 in Buchtipp
Um zu Gott zu gelangen, muss „der Weg des Opfers beschritten werden“. Doppelrezension von Martin Bürger
Linz (kath.net)
Anna Schäffer und Gianna Beretta Molla sind zwei heldenhafte Frauengestalten des 20. Jahrhunderts – mit völlig unterschiedlichen Lebenswegen, die allerdings beide zu großen Heiligen werden ließen. Im Media Maria Verlag sind zwei ausgezeichnete Bücher über die beiden Frauen erschienen: „Das geheimnisvolle Leben der Anna Schäffer“ von Stefan Meetschen sowie „Hl. Gianna Beretta Molla“ von Thierry Lelièvre.
Die heilige Anna Schäffer wurde 1882 geboren. Der einschneidende Wendepunkt ihres Lebens ereignete sich 1901, „als das damals 18-jährige Mädchen in einem Forsthaus in der Nähe von Ingolstadt arbeitete. Die typischen Hausarbeiten waren ihr aufgetragen worden. Da stellte sie fest, dass sich ein Ofenrohr gelöst hatte – über einem Waschkessel. So durfte es nicht bleiben, sie musste es reparieren. Doch was passierte? Anna Schäffer glitt ‚unglücklicherweise aus und rutschte mit beiden Beinen bis über die Knie in einen Kessel mit kochender Lauge‘.“ Seither ertrug die heilige Anna Schäffer geduldig ein entsetzliches Leiden, eine Art Martyrium in Zeitlupe, bis zu ihrem Tod im Jahr 1925.
Doch auch Heilige sind Menschen: „Nicht von heute auf morgen konnte sie sich in diese neue Lebensphase mit Leiden, Schmerz und Siechtum einfügen. Sie schrie zuweilen vor Schmerzen und Qualen und versuchte, wie jeder junge Mensch, Heilung und Erleichterung zu finden. Erst langsam wuchs die Überzeugung, dass das Unheil, das ihr in Stammham durch den Sturz in den siedenden Kessel zugestoßen war, sich als ein unabwendbares Verhängnis zeigte, aber kein von einem toten, herzlosen Räderwerk bewirktes Zermalmen, sondern ein vom Gott der Güte und der Liebe vorgesehenes Geschehen, von Ihm geschickt oder zugelassen sei.“
Gerade hier ist die Heilige ein Vorbild für die Menschen aller Zeiten, die ein Leiden vielleicht nicht sofort mit Gottvertrauen annehmen, aber dann doch realisieren, dass die Schmerzen und das Leid ein Teil des göttlichen Heilsplanes für sie selbst und für andere sind.
Nur rund 50 Jahre nach ihrem Tod wurde 1973 bereits das Seligsprechungsverfahren eingeleitet. Papst Johannes Paul II. nahm 1999 die Seligsprechung vor. Die Heiligsprechung indes war einem Landsmann der heiligen Anna Schäffer vorbehalten: Papst Benedikt XVI. Der deutsche Papst sagte 2012 im Rahmen seiner Predigt, das Krankenlager sei der Heiligen zur Klosterzelle geworden, „und das Leiden zum Missionsdienst. Sie haderte zunächst mit ihrem Schicksal, verstand ihre Situation dann aber als einen liebevollen Ruf des Gekreuzigten in seine Nachfolge. Gestärkt durch die tägliche Kommunion wurde sie zu einer unermüdlichen Fürsprecherin im Gebet und zu einem Spiegel der Liebe Gottes für viele Ratsuchende. Ihr Apostolat des Betens und des Leidens, des Opferns und des Sühnens sei den Gläubigen in ihrer Heimat ein leuchtendes Vorbild, ihre Fürbitte stärke die christliche Hospizbewegung in ihrem segensreichen Wirken.“
Die heilige Gianna Beretta Molla stammt aus Italien, genauer gesagt aus der Lombardei im Norden des Landes. Sie wurde 1922 in eine fromme Familie geboren. „Es sind die Eltern, die ihre Kinder als Erste zum Gebet anleiten und erziehen, vor allem durch ihr Vorbild.“ Dem Faschismus unter Benito Mussolini versuchte man aus dem Weg zu gehen, wie einer von Giannas Brüdern erklärte: „Wir taten alles, um an den vom Faschismus organisierten Unternehmungen nicht teilzunehmen zu müssen. Wir hatten die Uniformen der ‚avanguardisti‘, aber wir versuchten, sie möglichst im Schrank zu lassen. Wir gingen auch zu den Zusammenkünften am ‚faschistischen Samstag‘, wenn es keine andere Möglichkeit gab. Wenn unsere Namen aufgerufen wurden, antworteten wir vorschriftsmäßig mit ‚anwesend‘. Wenn dann die Reihen nach vorn rückten, schlüpften wir durch das erste Tor, das wir offen fanden, und gingen woanders hin.“
Besonders engagiert war die heilige Gianna Beretta Molla in der Katholischen Aktion. „Die Blütezeit ihres Apostolats erlebte sie während ihres Studiums bis zu ihrer Heirat. Es waren Jahre von großem inneren Reichtum, der sich auf die anderen übertrug. Gianna war voller Begeisterung und strebte leidenschaftlich danach, sich dafür einzusetzen, dass auch die anderen die Freude am Glauben entdecken konnten. Ihre ganze Freizeit nach dem Studium und der Hausarbeit widmete sie der Katholischen Aktion.“
Als Medizinstudentin und praktizierende Ärztin – auch, nachdem sie heiratete und Mutter geworden war – kann die Heilige ein Vorbild für moderne Frauen sein. Beim Lesen des Buches stellt sich allerdings die Frage, wie sie ihre verschiedenen wichtigen Aufgaben unter einen Hut bringen konnte. Jedenfalls zeigen verschiedene Zeugnisse, darunter von ihrem Mann und ihren Kindern, dass sie ein gottesfürchtiges Leben voller Nächstenliebe führte.
„Giannas Berufung erfüllte sich mit der Heirat und der Gründung einer christlichen Familie. Sie wollte sich mit ihrem Mann in der Ehe heiligen und die Kinder in diesem Geist erziehen, damit sie ebenfalls ein gottgeweihtes Leben führen würden. Die Seelen der beiden Eheleute waren sehr miteinander verbunden, auch wenn sie wegen der Reisen ihres Mannes getrennt waren und deshalb nicht zusammen beten konnten. Dann verabredeten sie, abends zur gleichen Stunde den Rosenkranz zu beten.“
Im täglichen Leben war die heilige Gianna Beretta Molla ein Vorbild – als Ehefrau und Mutter sowie im Berufsleben. Doch sollte eine heroische Gewissensentscheidung 1962 zu ihrem Tod führen. Ein Geschwulst war an ihrer Gebärmutter entdeckt worden, als sie mit ihrem vierten Kind schwanger war. Es gab nur drei Möglichkeiten: Entfernung der Gebärmutter samt Kind, Entfernung des Tumors und Abtreibung des Kindes, sowie Entfernung des Tumors und Rettung des Kindes. Die Heilige entschied sich für die Rettung des Kindes, in vollem Bewusstsein, dass ihr eigener Tod so gut wie gewiss war.
„Man soll sich keine Gedanken über mich machen, vorausgesetzt, dass für das Kind alles gut verläuft,“ sagte die Heilige. „Sie war fest davon überzeugt, dass Gott, wenn sie seinen Willen erfüllte (indem sie das Leben ihres Kindes rettete, anstatt es zu vernichten), weder sie beim Sterben noch ihre Kinder, die so früh zu Halbwaisen wurden, im Stich lassen würde. Sie vertraute auch voll darauf, dass ihr Mann und ihre Schwestern die Erziehung der Kinder an ihrer Stelle übernehmen würden.“
Thierry Lelièvre, der Autor des vorliegenden Buches, mahnt: „Einer Gesellschaft, die egoistisch die sofortige Erfüllung von Vergnügen sucht, sich Anstrengungen und Verantwortung entzieht, deren Beziehungen untereinander oberflächlich sind, der die äußere Erscheinung und die Konsumgüter am wichtigsten sind, die leichtfertig mit dem Leben des Menschen umgeht und es auslöscht, sei es des Embryos, des behinderten oder alten Menschen, ruft Gianna die wahren Werte des Lebens in Erinnerung: um glücklich zu sein und zu lieben, muss der Weg des Opfers beschritten werden.“ Auch Anna Schäffer ist hier ein leuchtendes Vorbild.
Kath.net Buchtipps:
Das geheimnisvolle Leben der Anna Schäfer
Von Stefan Meetschen
Media Maria Verlag
Geb., 120 Seiten
ISBN: 9783947931217
Preis: Euro 17,50
Hl. Gianna Beretta Molla. Mutter bis zum Ende
Von Abbé Thierry Lelièvre
Media Maria Verlag 2019
192 Seiten
ISBN: 978345401880
Preis: Euro 18,50
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