28. Februar 2024 in Kommentar
Es irritiert, „dass kein einziger Bischof auf die Idee gekommen ist, auch vor dem Linksextremismus zu warnen“, obwohl bei „diesen Extremisten“ der Antisemitismus zugenommen hat“. Gastkommentar von Prof. Werner Münch
Bonn (kath.net) Die zahlreichen Gegner des katholischen Christentums werden sich über die Presseerklärung der deutschen Bischöfe, die sie bei ihrer Vollversammlung am 22. Februar unter der Überschrift „Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar“ einstimmig verabschiedet haben, die Hände reiben.
Nachdem in dieser Erklärung zunächst pflichtschuldig alle Formen des Extremismus mit Nachdruck von den Bischöfen zurückgewiesen worden waren, wird sofort im nachfolgenden Satz behauptet, dass der „Rechtsextremismus die größte Bedrohung extremistischer Art für unser Land und für Europa“ darstellt.
Und in dieser behaupteten Realität dominiere „nach mehreren Radikalisierungsschüben“ die AfD mit ihrer „völkisch-nationalistischen Gesinnung“. Die finale Schlussfolgerung lautet dann, dass sie für Christen „kein Ort ihrer politischen Betätigung sein“ könne und sie „auch nicht wählbar“ sei.
Um allen Missverständnissen für den weiteren Text vorzubeugen: Ich war 37 Jahre bis 2009 als Mitglied der CDU (dann Austritt) in mehreren Partei-Funktionen, Mandaten und Regierungsämtern tätig und danach nie wieder Mitglied in irgendeiner anderen Partei, auch nicht der AfD, und gehöre ebenfalls bis heute nicht zu ihren Wählern. Vor diesem Hintergrund kann ich deshalb sagen, dass mich die Tatsache außerordentlich irritiert, dass kein einziger Bischof vor der Abstimmung über diesen Pressetext auf die Idee gekommen ist, auch vor dem Linksextremismus zu warnen, d. h. sich mit der Geisteshaltung, den Inhalten ihrer Ideologie und den Aktivitäten dieser Extremisten ebenfalls auseinanderzusetzen. Sie sind nämlich, wie gerade auch ihre Demonstrationen in den letzten Wochen bewiesen haben, gegen Israel, ihr Antisemitismus hat zugenommen, Juden gehen nicht mehr auf die Straße oder in die Universitäten, weil sie Angst haben, verprügelt zu werden. Diese Extremisten sind gegen die katholische Kirche und die von ihr verkündeten Wahrheiten und auch gegen das Recht auf Leben, vor allem der Ungeborenen, und gegen einen offenen Dialog über unterschiedliche Wertefragen in unserer Gesellschaft (Cancel Culture). Als Klimaaktivisten kleben sie sich auf Straßen und Autobahnen fest, wohlwissend, dass sie damit eine Nötigung begehen, indem sie u. a. eine große Zahl von Arbeitnehmern daran hindern, ihre Berufsstätte zu erreichen. Und es verwundert dann auch, dass Priester Beifall klatschend am Straßenrand stehen, wenn Demonstrationszüge von „Fridays for Future“ vorbeiziehen. Schließlich ist der Vandalismus gegen Einrichtungen von Organisationen des Lebensschutzes genauso nicht hinnehmbar wie die z. T. massiven Störungen des friedlichen „Marsches für das Leben“ in Berlin und jetzt auch in Köln.
Und wenn sich die Kirche, wie sie in ihrer Presseerklärung mitteilt, einem Dialog mit „gesprächswilligen Menschen“ der AfD nicht entziehen will, dann kommen die Bischöfe jetzt erst zu der Erkenntnis, dass eine solche Notwendigkeit schon lange dringend bestand? Hatten sie denn bisher nicht die allgemeine Kenntnis, dass Ausgrenzung oft zum Widerstand und zur Radikalisierung führt? Stattdessen haben es einige Bischöfe für angebracht gehalten, an Demonstrationen gegen „Rechtsextreme“ teilzunehmen und den AfD-Mitgliedern – natürlich öffentlich – mitzuteilen, dass für sie kein Amt in der Kirche offensteht. Wäre es nicht angebracht, dass aufgrund der noch längst nicht gelösten Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs durch katholische Priester die Verantwortlichen in unseren Diözesen in der Darstellung anderer Missstände in unserer Gesellschaft etwas zurückhaltender und demütiger auftreten und berichten würden?
Wenn die deutschen Bischöfe der Auffassung sind, dass die Menschenwürde „der Glutkern des christlichen Menschenbildes“ ist, dann gibt es wichtigere Prioritäten. Primär wären dann unmissverständliche Erklärungen von ihnen zum Lebensrecht und zum Lebensschutz, vor allem der Ungeborenen, ebenfalls zur Schöpfungstheologie, zur Zweigeschlechtlichkeit und zur heterosexuellen Ehe und Familie sowie zur deutlichen Warnung vor der (Trans -)Gender-Ideologie. Stattdessen warten wir bis heute noch auf eine klare Distanzierung der DBK von der Forderung der ZdK-Vorsitzenden Irme Stetter-Karp zur flächendeckenden Ermöglichung von Schwangerschaftsabbrüchen.
Als „Glutkern des christlichen Menschenbildes“ gibt es also andere sehr wichtige Themen neben der Darstellung, dass „Völkischer Nationalismus und Christentum unvereinbar sind“, reduziert auf die AfD. Diese anderen Themen haben nach unserer christlichen Auffassung von Menschenrecht und Menschenwürde eine höhere Priorität. Und wenn, wie Bischof Bätzing auf die Frage eines Journalisten in der Pressekonferenz nach Abschluss der Vollversammlung in der letzten Woche geantwortet hat, der Lebensschutz das „Proprium der katholischen Kirche“ ist, dann müsste dieses Proprium in ihrer öffentlichen Darstellung einen anderen Stellenwert haben, z. B. auch in Reaktionen auf linksextremistische Aktionen gegen Organisationen des Lebensschutzes. Und auch solche oder ähnliche Aussagen wie die zitierte von Irme Stetter-Karp bedürfen eindeutigerer und unmissverständlichere Reaktionen der DBK.
Der Autor dieses Beitrags ist Prof. Dr. Werner Münch, Ministerpräsident a. D.
Archivfoto (c) Werner Münch
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