Weltsynode: Tück warnt vor "halbiertem Reformbegriff"

14. Oktober 2024 in Weltkirche


Wiener Dogmatiker im "Kurier"-Interview über falsche Erwartungen an die Synode, unterschiedliche Wertvorstellungen in der Weltkirche und den notwendigen Dialog mit Repräsentanten des Islam


Wien (kath.net/KAP) Der Wiener Dogmatiker Prof. Jan-Heiner Tück hat im "Kurier"-Interview (Freitag) vor falschen Erwartungen an die aktuell tagende Weltsynode in Rom gewarnt. Er sprach in diesem Zusammenhang auch von einem "halbierten Reformbegriff". Das Hauptziel von Papst Franziskus sei es, "die Kirche missionarisch zu stärken", so Tück.

Enttäuschungen über die Ergebnisse der Synode seien nur dann vorprogrammiert, wenn man einen halbierten Reformbegriff zugrunde lege, so der Theologe. Die Aufgabe des Papstes, die Weltkirche zusammenzuhalten, sei enorm. Die katholische Weltkirche kenne unterschiedliche kulturelle Großräume, die unterschiedliche Wertvorstellungen haben. Gerade deswegen wäre es eine eurozentrische Verengung, zu meinen, "dass die seit den Siebzigerjahren kursierenden Vorschläge der Kirchenreform das Heilmittel wären und auf der Synode umgesetzt würden".

Der Papst sei auch nicht zufällig gerade noch nach Asien gereist, so Tück: "Er will deutlich machen, dass das Zentrum der Kirche mittlerweile im Globalen Süden liegt. Sein Anliegen ist es ja, durch den synodalen Prozess die glaubensmüden Kirchen des Westens anzustacheln."

Das alte Narrativ, wonach nur die notorischen Strukturreformen umzusetzen seien, um die Kirche wieder zum Blühen zu bringen, greife zu kurz. Das zeigten die evangelischen Kirchen, "die das alles seit Langem umgesetzt haben und mit denselben Erosionen konfrontiert sind". Solange nicht die unter der Asche liegende Glut der Evangelisierung wieder angefacht wird - "das heißt unter anderem ganz konkret, dass mit Kindern gebetet wird, dass sie in die biblischen Erzählungen eingeführt, mit der Liturgie vertraut gemacht werden etc." - sei alles andere müßig.

Christentum und Islam

Auf Ängste gegenüber dem Islam angesprochen, meinte Tück: "Wenn Muslime ihren Glauben öffentlich praktizieren und dies im Rahmen des Rechtsstaates geschieht, ist das in Ordnung und willkommen." Er halte es für völlig verfehlt, "dschihadistische Attacken auf die gesamte muslimische Community hochzurechnen".

Dem Christentum sei ungeachtet aller Verschleifungen zwischen Kirche und Staat die Unterscheidung von weltlicher und sakraler Sphäre eingeschrieben. Ebendiese Unterscheidung habe den Westen geprägt. Demgegenüber kenne der Islam stärkere Verbindungen von Religion und Politik, so Tück: "Aber ich würde dazu ermutigen, mit Repräsentanten des Islam so ins Gespräch zu kommen, dass sie von sich aus Formen entwickeln, die mit einem pluralistischen Gemeinwesen kompatibel sind."

Dabei sei es sicher zu wenig, wenn sich die Kirchenleitung auf diplomatische Dialogformate mit dem Islam beschränkt. Tück: "Das bleibt unbefriedigend, wenn nicht auch die Sollbruchstellen klar benannt werden. Hier gibt es Integrationsdefizite, hier gibt es Radikalisierungstendenzen, bis hin zu den bekannten Fällen islamistischer Gewalt. Aber dieses Problem kann man nur konstruktiv angehen, wenn man Integrationshilfen anbietet und wenn man nicht die gesamte Community unter Generalverdacht stellt." Sonst komme man in kulturkämpferische Konfliktlagen hinein, welche die Gesellschaft spalten, warnte der Theologe.

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