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| Vatikanarchive: Pius XI. enthob österreichische Äbte aus Amt8. Dezember 2012 in Österreich, 2 Lesermeinungen Kirchenhistoriker Klieber: Papst der Zwischenkriegszeit wollte Stifte und Klöster durch Visitationen wieder auf Kirchenlinie bringen - Päpstliche Argumente gegen den Nationalsozialismus stark von Forschung der Steyler Missionare geprägt. Wien (www.kath.net/ KAP) "Anders als bei den jungen Missionsorden griff Pius XI. in die etablierte Landschaft der alten Klöster und Stifte Österreichs teils massiv ein, um sie auf die kirchliche Linie der Zeit zu bringen", erklärte Klieber. Die besondere Situation dieser Orden, die hierzulande stark in der Wirtschaft, Pfarrseelsorge und im Schulwesen engagiert waren, habe am Anfang des 20. Jahrhunderts immer wieder Kritik auf sich gezogen. "Zwar sah die Öffentlichkeit diese praktische Ausrichtung als durchaus positiv, doch vermissten viele innerkirchliche Stimmen das klösterliche Leben", so der Kirchenhistoriker. So habe es unter Pius XI. "ernsthafte Versuche" gegeben, die alten Stifte und Klöster mehr auf die monastischen Ideale zu verpflichten und Stiftsherren wieder "zu Mönchen und Chorherren nach altem Muster" zu machen, betonte Klieber. Umgesetzt wurde dies in mehreren großen Stiftsbesuchen: Visitatoren aus anderen Orden oder aus dem Weltklerus, die das Vertrauen der römischen Kurie besaßen und mit großen Vollmachten ausgestattet waren, wurden in die Stifte geschickt, um hier nach dem Rechten zu sehen. Eine erste Welle von Visitationen fand am Ende der 1920er-Jahre statt, eine weitere 1938. Die Macht der Visitatoren ging so weit, dass sie Äbte und Prälaten absetzen konnten und dies mehrfach - Klieber geht von "etwa einem halben Dutzend Fällen" aus - auch taten. "Einerseits war dies eine Reaktion auf Misswirtschaft und finanziellen Problemen, die den Klöstern in Zeiten der Wirtschaftskrise auf den Kopf gefallen sind. Doch auch allzu weltlicher Lebensstil konnte zum Anlass genommen werden, um für eine neue Führung zu sorgen - etwa wenn die Prälaten und Äbte mehr auf der Jagd als auf Kanzel oder am Schreibtisch zu finden waren", berichtete der Geschichtsforscher. "Derart markante Eingriffe wie unter Pius XI. hatte es in den Klöstern in dieser Strenge seit 300 Jahren nicht mehr gegeben", hob Klieber die historische Bedeutung dieser Vorfälle hervor. Nur in den großen Kloster- und Klerusvisitationen nach dem Konzil von Trient (1545-1563) seien aufgrund damaliger Missstände die Eingriffe noch größer gewesen. Von einer Krise der Klöster konnte in den 1920er- und 1930er-Jahren allerdings keine Rede sein: "Die meisten Stifte standen wirtschaftlich und personell gut da. Sie hatten keinen Nachwuchsmangel zu beklagen und besaßen hohes Ansehen", so der Experte. Politisch motivierte Absetzungen gab es in Österreichs Stiften nach bisherigen Ergebnissen nicht, wohl aber eine davon initiierte Visitation 1938 im Stift Seckau. "Als bei der Volksabstimmung nach dem 'Anschluss' einige Laienbrüder sich in Rom beschwerten, der Abt hätte zu großen Druck für eine 'Ja'-Stimme ausgeübt, zog das immerhin eine Visitation nach sich. Zu einer Absetzung kam es nicht - denn das Stift war damals schon schwer in politischer Bedrängnis, war mit vielen Enteignungen konfrontiert und hatte somit andere Sorgen." Weitere Detailergebnisse erwartet Klieber von einem derzeit noch laufenden Dissertationsprojekt. Enzyklika "Mit brennender Sorge" Unter völlig anderem Licht standen allerdings die Beziehungen von Pius XI. zu den damals jungen Missionsorden. Mehrere in Österreich stationierte Patres der Steyler Missionare - darunter der Ethnologe P. Wilhelm Schmidt - waren etwa in der Entstehung der Enzyklika "Mit brennender Sorge" maßgeblich involviert. "Der Papst brauchte die Expertise der jungen ethnologischen Forschung, um dem scheinbar wissenschaftlichen Ergebnissen der NS-Rassenlehre fundierte Argumente entgegenzuhalten und somit die Kernthese des Rassismus zu verurteilen", erklärte Klieber. Die diesbezügliche Korrespondenz konnte dank Öffnung der vatikanischen Archive nun erstmals gesichtet werden. Pius XI. fiel als ein wichtiger Förderer der Mission das Wirken der jungen Missionsorden, darunter die damals in Deutschland und Österreich besonders florierenden Steyler Missionare, besonders auf. "Für die Organisation der großen Missionsausstellung 1925 griff der Papst auf Pater Wilhelm Schmidt als einen der damals renommiertesten Ethnologen und Sprachwissenschaftler zurück", berichtete Klieber. Als die Missionsausstellung in das päpstliche "Museo Missionario-Etnologico" übergeführt wurde, bestellte der Papst den Steyler Priester mit Stammsitz in St. Gabriel bei Mödling zu dessen Leiter. "Pater Schmidt und der Papst sind sich bei diesen Arbeiten auch persönlich nähergekommen. Es hat sich fast so etwas wie eine Freundschaft daraus entwickelt", erklärte der Kirchenhistoriker. Fachkompetenz gegen die NS-Rassenlehre Dieser Kontakt habe den Weg dazu geebnet, dass Papst Pius XI. Schmidt sowie auch andere Steyler Patres in jene Recherchen einbezog, die angesichts der mit der NS-Bewegung aufkeimenden Rassendiskussion notwendig geworden waren. "Man hat seitens der Kirche sehr versucht, den scheinbar wissenschaftlichen Ergebnissen nationalsozialistischer Forscher, die etwa messbare Unterschiede zwischen Rassen und Abstufungen der Menschlichkeit postulierten, etwas entgegenzuhalten." Angesichts dieser Lehren wäre die Kirche ohne fundierte Gegenexpertise "auf verlorenem Posten" gewesen, so Klieber, weshalb sie die Gegenargumente besonders in den damals jungen ethnologischen Forschungen der Missionare suchte. Das NS-Regime reagierte prompt und setzte Schlüsselwerke bereits 1934 auf den Index der verbotenen Bücher. Auf katholischer Gegenseite seien unter Beratung der Steyler Missionare mehrere Vorbereitungsarbeiten gelaufen, um die Kernthesen des Rassismus zu verurteilen, so der Wiener Kirchenhistoriker. Pater Schmidt habe mit einigen Passagen und Thesen wesentlich dazu beigesteuert. "Aus der Korrespondenz, die wir nun erstmals in größerem Stil gesichtet haben, fällt auf, dass hier Formulierungen und Kernaussagen der Enzyklika 'Mit brennender Sorge' früher auftauchten als bisher bekannt war. Selbst der Name des Papstschreibens dürfte aus dieser Korrespondenz stammen." Die Kommunikation zwischen P. Schmidt, seinen Ordenskollegen und dem Vatikan verlief laut Klieber über andere Kanäle und andere Themen als dies beim apostolischen Nuntius, der dem Papst "eher über aktuelle politische Ereignisse in und um Österreich berichtete", der Fall war. Dank des Generalats in Rom seien die Steyler Missionare vor Ort präsent gewesen und hätten keiner Vermittlung bedurft. Während der NS-Zeit sei es dem Papst die brenzlige Lage von Pater Schmidt klar gewesen. "Schmidt gehörte gemeinsam mit Wilhelm Miklas und Kurt Schuschnigg zu jenem Kreis, für deren Schutz der Papst persönlich bei deutschen Stellen interveniert hat. Er wusste aber ohnehin, dass er auf der Abschussliste stand und verbrachte die gesamte NS-Zeit in der Schweiz", so Klieber. Der Wiener Kirchenhistoriker hat Ende November eine internationale wissenschaftliche Tagung in Wien organisiert. Die Präsentation aktueller Forschungen warf dabei ein neues Licht auf das oftmals umstrittene Pontifikat (1922-1939) am Vorabend des Zweiten Weltkrieges. Copyright 2012 Katholische Presseagentur, Wien, Österreich (www.kathpress.at) Alle Rechte vorbehalten. Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal! Lesermeinungen
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