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Neigung vor Gott und Zuneigung zum Menschen

21. Jänner 2023 in Buchtipp, keine Lesermeinung
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Leseprobe 2 aus dem neuen Buch von Karl-Heinz Fleckenstein: Eine Kirche, die nicht dient, hat ausgedient


Linz (kath.net) 

Alle aber begegnet einander in Demut! Denn Gott tritt Stolzen entgegen, Demütigen aber schenkt er seine Gnade. Beugt euch also in Demut unter die mächtige Hand Gottes, damit er euch erhöht, wenn die Zeit gekommen ist! Werft alle eure Sorge auf ihn, denn er kümmert sich um euch! Seid nüchtern, seid wachsam! Euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann. Leistet ihm Widerstand in der Kraft des Glaubens! (1. Petr. 5,5 -9).

Eine Verfolgungswelle breitet sich im römischen Reich aus. Die Gemeinden in Kleinasien kämpfen ums Überleben. Viele machen sich große Sorgen über die Zukunft. Die Ältesten stehen in der Gefahr, ihre Aufgaben nur noch unwillig und ohne Freude zu tun. Petrus schreibt ihnen einen Brief. Er selbst ist noch Zeuge von Tod und Auferstehung Jesu. Genau das sollen sie nicht vergessen. Seine Botschaft weiterzutragen ist ihre Berufung. Frustration und Missmut dürfen nicht die Oberhand behalten.

Diese Gefühle kennen wir auch. Wenn uns im Leben der Atem ausgeht. Manchmal wissen wir kaum noch, wo wir neue Kraft schöpfen sollen. Da kann uns das Gefühl beschleichen, eine Arbeit bewältigen zu müssen, die keiner mehr schätzt. Weil wir nicht mehr gefragt sind und nicht mehr dazu gehören. Aus Frustration entwickelt sich schnell Verbitterung. Wir verlieren aus dem Blick, was eigentlich wichtig ist. Wir sehen überall nur noch Überforderung und Unmut. Ob auf der Arbeitsstelle oder zuhause. Dem Apostel geht es um Gemeinschaft.

Niemanden darf auf die Seite geschoben werden. Auch die Stillen sollen zu Gehör kommen. Petrus wirft das Stichwort Demut in die Runde. Aber was ist damit gemeint? Ist ein Demütiger nicht einer, der nicht weiß, was er will? Der sich selbst beschneidet und zurücknimmt? Sich selbst um das betrügt, was ihm zusteht? Demut, das klingt nach Unterwürfigkeit, Kriechertum. Danach, sich selbst unnötig klein zu machen? Bestätigt sich damit nicht der Verdacht vieler Leute, die Kirche wolle doch im Grunde nur unselbstständige Menschen? „Beugt euch also in Demut unter die mächtige Hand Gottes.“ Dieser Satz klingt wie eine Ohrfeige für den modernen, autonomen Menschen, der über sich selbst bestimmen und sich nicht bestimmen lassen will. Also eine Haltung, die gar nicht zu unserer Zeit zu passen scheint? Wo jeder schaut, das Optimale für sich herauszuholen.

Wörtlich sagt Petrus: „Alle aber miteinander haltet fest an der Demut“. Das griechische Wort für festhalten kann auch heißen: Sich den Sklavenschurz umbinden. Also: Alle miteinander bindet euch den Sklavenschurz um. Das bedeutet Mut zum Dienen. Da bin ich nicht mehr auf das fixiert, was mir selbst dient, sondern auf das, was den anderen weiterbringt. Damit sind auf einen Schlag viele Probleme vom Tisch, die mit Ehrgeiz, Eifersucht, Gekränktsein, Beleidigtsein und all dem zu tun haben. Petrus empfiehlt: Trainiert euch eine solche Haltung an. Ein Demütiger kennt sich und sagt ja zu seinen Stärken und Schwächen.


Ein Hochmütiger weiß nichts von Wertschätzung. Allerdings gibt es auch eine falsche Demut. Indem man zerknirscht irgendwas tut, in der Hoffnung, das würde dann Punkte im Himmel bringen. Oder Menschen, die sich und ihre eigenen Fähigkeiten abwerten: Ich bin nichts, ich kann nichts und ich tauge nichts. Ich möchte mich da nicht hervortun. Mit einer solchen Haltung hält man sich aus allem heraus und überlässt die Mitarbeit lieber den anderen, die ja alles viel besser können. Ein derartiges Getue ist oft gepaart mit verstecktem Stolz nach dem Motto: „Ich möchte kein Lob und keinen Dank.

Aber wehe, es beachtet niemand, was ich alles mache! Meine Meinung ist doch nicht wichtig. Aber wehe, ihr macht es anders, als ich es mir vorstelle! Ich kann ja nicht viel. Aber wehe, ihr sagt mir, dass ich meine Aufgaben nicht gut genug erfülle!“ Was ist also wahre Demut? Sie äußert sich in der Neigung vor Gott und der Zuneigung zum Menschen. Sie ist nicht Abwertung von sich selbst, sondern liebende Bereitschaft für andere. Demut ist die Haltung eines erhobenen Kopfes, nicht der Kleinduchserei. Demut verlangt von mir einen dankbarer Gesichtsausdruck, wenn jemand meine Fehler ausbügelt. Demut verlangt auch der Rest Mut in aller erfahrenen Demütigung. Demut ist mein seidener Faden Hoffnung, der auch in aller Angst nicht reißt. Demut überlässt mein ganzes Vertrauen einfach Gott. Diesen wunderbaren, kraftvollen Zustand, der die Angst wegwischt, könnte man mit einer Mutter vergleichen, die ihrem Kind die Schmerzen eines blauen Fleckes an seinem Arm einfach wegbläst.

Gott will Demut belohnen. Petrus spricht vom Lohn der Gnade, der Erhöhung und der Sorgenfreiheit. Wenn ich mich Gott unterstelle, dann mache ich mich abhängig von ihm und darf alles von ihm erwarten. Dabei muss ich aber ich in die Knie gehen. So, wie wenn ich aus einer Quelle trinken will. Die Demut verändert mein Denken, indem ich klein von meinen Möglichkeiten und groß von der Gnade und Barmherzigkeit Gottes denke.

Für den Lohn der Erhöhung rät Petrus: „Beugt euch also in Demut unter die mächtige Hand Gottes, damit er euch erhöht, wenn die Zeit gekommen ist!“ Der Mensch, der sich selbst groß macht, wird irgendwann einmal von dem selbstgebauten Sockel fallen. Wenn ich mich aber unter Gott stelle, werde ich von ihm anerkannt, angenommen und in seinen Dienst gestellt. Er erhöht mich in den Stand eines Sohnes oder einer Tochter. Hier wird deutlich, dass Demut nichts mit Schwachheit, Profillosigkeit oder Schattendasein zu tun hat. Der Demütige kann zu seinen Gaben und Fähigkeiten stehen. Er kann Lob und Anerkennung entgegennehmen; denn er weiß bei allem: Es kommt nicht von mir, sondern von meinem Schöpfer. Er hat eine himmlische Karriere vor sich, auch dann, wenn diese zeitweise eher einem Abstieg gleichen sollte.

 Für den Lohn der Sorgenfreiheit empfiehlt Petrus: „Werft alle eure Sorge auf ihn, denn er kümmert sich um euch!“ Meine manchmal negativen Sorgen kommen von einer fehlgeleiteten Wahrnehmung. Ich verliere den aus dem Blick, der sogar für die Blumen und Vögel sorgt und daher erst recht für mich. Übertriebene Sorge kommt aus der Übertreibung. Probleme werden mit dem Vergrößerungsglas betrachtet. Der Maßstab geht verloren. Die übertriebene Sorge um die Zukunft blockiert das Handeln für die Gegenwart. Sie nimmt mich gefangen.

Wenn ich mich aber unter den gewaltigen Schutz Gottes stelle, weiß ich: Alles in Gottes Hand legen, alles aus Gottes Hand nehmen, alles in Gottes Hand lassen. Petrus sagt nicht: Legt eure Sorgen beiseite, in erreichbare Nähe, dass ihr sie wieder hervorholen könnt. Er spricht vom Wegwerfen als ein Ausdruck höchster Aktivität. Da steht ein Entschluss dahinter. Wenn ich etwas wegwerfe, dann heißt das, ich habe die Entscheidung getroffen, mich davon absolut zu trennen. Wenn ich aber nicht lerne, meine Sorgen auf den Herrn zu werfen, dann bleibe ich ein zerworfener, unterworfener, abgeworfener und umgeworfener Mensch.

Und wenn sich mir der Gedanke aufdrängt, “um mich kümmert sich überhaupt niemand,“ dann macht Petrus ganz klar deutlich: „Gott kümmert sich um dich.“ Er hat die Macht, mit deinen Sorgen fertig zu werden. Er kann es nicht nur, er will es auch. Petrus verweist dabei auf die starke Hand Gottes. Wer sich demütigt, macht sich von Gott abhängig. Fromme Juden setzen sich ganz bewusst jeden Morgen die Kippa auf den Kopf als Symbol für die schützende Hand Gottes. Auch wir dürfen erfahren: alles wird uns aus seiner Hand geschenkt, was wir zum Leben brauchen. Diese Hand gibt uns Geborgenheit. Wir müssen aber auch lernen, alles von ihm anzunehmen: Erfolg und Enttäuschung, Freuden und Leiden. Damit ehren wir ihn als seine Kinder in seiner Weisheit und Liebe. Wir vertrauen ihm, dass er alles zu Besten lenkt, auch wenn wir es nicht immer gleich verstehen. Wenn wir aber gegen ihn rebellieren, zerreiben wir uns an den Lebensumständen und verpuffen damit wertvolle Kräfte, die wir für andere positive Dinge brauchen.

Die andere Seite der Medaille ist der offen zur Schau getragene Stolz. Eine Haltung, die offenkundig macht: Ich habe das Recht, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ich frage weder nach Gott noch nach den Menschen. Ich bestimme selbst die Wertmaßstäbe meines Lebens. Der böse Feind versucht durch Stolz und Rebellion die Menschen auf seine Seite zu ziehen. Das gehört zu seinem Wesen. Darin kennt er sich aus. Schon bei Adam und Eva trat er so auf: Sieh doch mal, die Frucht ist doch begehrenswert. Wenn du sie isst, wirst du sein wie Gott. Dann kannst du das Gute vom Bösen unterscheiden. Ist das nicht was?

Du entscheidest selbst. Also brauchst du Gott nicht mehr. So sein wie er. Selbst entscheiden können, was richtig für mich ist. Unabhängig zu sein. Selbst bestimmen. Mein eigener Gott sein. Das ist die große Versuchung auch in unserer Zeit. Der Wunsch Göttlichkeit anzustreben. Sich hochzuarbeiten. Sich vorwärts zu bringen. Sich zu verbessern. Selber gut zu sein. Etwas Glorreiches aus sich selber machen. Angebetet zu werden. Der Humanismus hat den Menschen total in den Mittelpunkt gestellt. Er baut auf das Gute im Menschen. Man müsse nur die richtigen Umstände und Bedingungen, das richtige Umfeld schaffen.
Der Mensch wird zu Gott gemacht, zum Zentrum des Universums. Alles dreht sich um ihn.

Petrus beschreibt den bösen Feind als brüllenden Löwen, der um die Herde der Gemeinde kreist. Auf Griechisch heißt er Diabolos. Er schaut, ob er jemanden verschlingen kann. Zuerst isoliert er sein Opfer. Vielleicht weil der oder die von anderen Gläubigen verletzt worden sind. Jetzt versuchen sie es als Solochristen. Zwar gibt es nun keine Reibungsfläche mehr, um an den Mitmenschen die Demut zu üben, jedoch hat der Durcheinanderbringer ein leichtes Spiel: Hier ein eigenewilliger Alleingang im Glaubensverständnis. Dort ein heftiger Widerstand gegen die Amtskirche. Der Apostel hält hier keine lockere Sommer-Predigt. Er mahnt ziemlich ernsthaft und krass. Aber so ist das Leben. Es gibt einen geistlichen Kampf.

Deshalb hat Gott uns einige wichtige Dinge gezeigt, damit wir diesen Kampf gewinnen können. Vor dem Feind müssen wir nicht ängstlich davon laufen. Vielmehr sollen wir ihn entlarven und ihm widerstehen. Und wie? „Seid besonnen und wachsam”, mahnt Petrus. Man könnte auch sagen: seid „nüchtern”. Nicht das Gegenteil von zugedröhnt, angeschwipst oder besoffen sein. Nüchtern sein im Sinn von besonnen und selbstbeherrscht. Anstatt sich in eine Fruststimmung fallen zu lassen oder sich in Wut auszutoben, bedeutet dies, dass ich mein ungezügeltes Gemüt sozusagen mit einem Gurt zusammen halte. Mich nicht einschüchtern zu lassen, sondern besonnen und bereit zu sein zum Gebet. Mich nicht von Sorgen erdrücken zu lassen, sondern bewusst den geistlichen Kampf aufnehmen. Dabei fokussiere ich mich auf die Gewissheit, dass es in der ganzen Christenheit die gleichen Angriffe gibt. Die Gemeinde von Jesus ist weltweit umkämpft. Schon das zu wissen, hilft mir, dem Bösen

im Kleinen zu widerstehen. Eines ist ganz sicher: Wir haben eine herrliche Zukunft vor uns, weil Gott uns zur Herrlichkeit berufen hat. Wir sind nicht auf der Verliererseite. Auch wenn wir leiden, wenn Versuchungen uns bedrängen, wenn es echte happige Widerstände für unseren Glauben gibt, so gilt: Unser Leben wird erneuert durch den kraftvollen, lebensverändernden Rückfluss der Gnade Gottes. Jesus wird uns aufbauen, stärken, kräftigen und auf festen Grund stellen. Anstatt unsere Wunden zu lecken, dürfen wir nach vorne blicken und Erneuerung erleben. Jesus hat alles im Griff. Mit ihm gehören wir zu der neuen Schöpfung.

kath.net Buchtipp
Eine Kirche, die nicht dient, hat ausgedient
Von Karl-Heinz Fleckenstein
Mit einem Geleitwort von Gerhard Viehhauser, Erzdiözese Salzburg
Lit-Verlag 2022
120 Seiten, broschiert
ISBN: 9783643152350
Reihe: Christsein aktuell, Bd. 19
Preis (in Österr. u. Deutschland): Euro 19,90,-


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